Alternative Klima-Fakten

Das Wort „Alternative“ – als Hauptwort und Eigenschaftswort – ist überstrapaziert und bedeutet heutzutage manchmal nicht mehr als einfach nur „Unsinn“ (bei der sogenannten „Alternative für Deutschland“) und „falsch“ oder „verquer“ (bei falschen Tatsachenbehauptungen oder Medien). Dabei geht es letztlich um die Ablehnung von gefühlten Zumutungen. Selbst eine ansonsten fortschrittliche „Linke Zeitung“ fällt dann auf angebliche „Klima-Fakten“ des US-Think-Tanks CO2-Coalition herein, der der US-Ölindustrie nahesteht und von Trump und seinen Anhängern geliebt wird. Das bundesdeutsche Pendant ist EIKE, das im Dunstkreis der AfD steht.

Eine apologetische Widerlegung angeblicher „Klima-Fakten“

Die CO2-Coalition listet 31 angebliche Klima-Fakten auf (vgl. den untersten Abschnitt), die sich wegen vieler Wiederholungen in 10 Argumenten zusammenfassen lassen:

  1. Die meiste Zeit der Erdgeschichte gab es mehr CO2 in der Atmosphäre und war es wärmer als heute. Änderungen des Weltklimas fanden auch ohne den Menschen statt.
  2. Änderungen der Erdumlaufbahn und der Neigung der Erdachse treiben den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten an.
  3. Wir stehen vor der nächsten Eiszeit und sollten uns über die Erderwärmung freuen.
  4. Die „ideale“ Temperatur ist nicht die von vor 150 Jahren.
  5. Die moderne Erderwärmung begann vor dem fossil befeuerten Industriezeitalter.
  6. CO2 stieg nennenswert erst nach dem Zweiten Weltkrieg an, aber die Temperatur fiel.
  7. CO2 ist gut für die Pflanzen und darum gut für uns. Für die menschliche Entwicklung ist wärmer besser als kälter.
  8. Mit steigender Konzentration nimmt der Erwärmungs-Effekt von CO2-Molekülen ab.
  9. Klimamodelle des Weltklimarates IPCC haben die Erderwärmung etwa dreifach zu hoch angesetzt.
  10. Global werden Dürren seltener.

Dazu lässt sich sagen:

  1. Die meiste Zeit der Erdgeschichte gab es mehr CO2 in der Atmosphäre und war es wärmer als heute. Änderungen des Weltklimas fanden auch ohne den Menschen statt.
    Das ist das absolute Argument eines unbeteiligten Beobachters, der die konkreten Konsequenzen einer rapiden Klimaveränderung für zeitgenössische Lebewesen ignoriert. In wärmeren Erdzeitaltern entwickelten sich und lebten daran angepasste Tier- und Pflanzenarten. Wenn wir innerhalb weniger Jahrhunderte einen Temperatursprung um mehrere Grad Celsius verursachen, werden viele gegenwärtige Arten den Anpassungsdruck nicht überleben. Nach diesem katastrophalen Hitzeschub würden zukünftige, angepasste Arten die frei gewordenen Lebensräume erobern, aber wir Menschen hätten das Aussterben der meisten gegenwärtigen Arten verursacht. Zukünftigen Arten wäre eine höhere Erdtemperatur egal oder sogar nützlich, aber die Frage ist doch, ob wir für den Anstieg an Naturkatastrophen und den Verlust an Menschenleben und rezenter Biodiversität verantwortlich sein wollen – und warum jemand glauben kann, dies zu dürfen?

  2. Änderungen der Erdumlaufbahn und der Neigung der Erdachse treiben den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten an.
    Der Verweis auf diese angebliche wirkliche Ursache der Klimaerwärmung suggeriert, dass die Klimaforschung astronomische Einflüsse nicht berücksichtige und also ihr Fach nicht verstünde. Selbstverständlich wird auch dies genau untersucht. Ergebnis: Alle bekannten astronomischen Klimafaktoren können die gegenwärtig beobachtete Klimaerwärmung nicht ausreichend erklären. Mit diesem Argument soll der Klimaforschung die Kompetenz abgesprochen werden. Diese Argumentationsweise ist außerdem typisch für Alternative-Fakten-Gläubige, weil sie nicht wissen, wie die kritisierte Wissenschaft in Wirklichkeit arbeitet.

  3. Wir stehen vor der nächsten Eiszeit und sollten uns über die Erderwärmung freuen.
    Dieses schlechte Argument möchte aus der Not eine Tugend machen und begrüßt die gegenwärtige Klimaerwärmung als Prophylaxe gegen die in ein paar tausend Jahren zu erwartende nächste Eiszeit. Rational wäre es, die fossilen Brennstoffe solange aufzusparen, um zukünftigen Eiszeiten mit Geoengineering entgegen wirken zu können – und zwar erst zu der Zeit, in der sie stattfinden, nicht schon Jahrtausende vorher.

  4. Die „ideale“ Temperatur ist nicht die von vor 150 Jahren.
    Ein philosophisches, aber auch unlauteres Argument, ähnlich wie Nr. 1. Es mag stimmen, aber sinnvoll wäre wohl nur eine langsame und gedeckelte Temperatursteigerung bis zu 1° C, nicht die faktische, unkontrolliert schnelle mit drastischen Auswirkungen, sobald die Kipp-Elemente im Weltklimasystem umkippen. Genau für diese künstliche, rapide Klimaveränderung durch die industrialisierte Menschheit wird das Argument aber verwendet.

  5. Die moderne Erderwärmung begann vor dem fossil befeuerten Industriezeitalter.
    Das Argument benutzt einen nicht sachgerechten und nicht zweckdienlichen Maßstab. Es verkennt die Rolle natürlicher Ursachen für Klimaveränderungen, nur um die Rolle künstlicher, anthropogener Ursachen für die gegenwärtige Klimaerwärmung kleinzureden. Je nachdem, welcher Vergleichszeitraum verwendet wird, erscheint die aktuelle Entwicklung dramatisch oder gänzlich unspektakulär. Sinnvoll wäre es, die verschiedenen Ursachen gegeneinander zu verrechnen und die zu erwartenden Auswirkungen der gegenwärtigen Klimaveränderungen zu bewerten. Dann zeigt sich, dass ein Betrachtungszeitraum seit dem Ende der neuzeitlichen „Kleinen Eiszeit“ für die Bewertung der aktuellen menschengemachten Klimaerwärmung irrelevant ist.

  6. CO2 stieg nennenswert erst nach dem Zweiten Weltkrieg an, aber die Temperatur fiel.
    Dieses Argument setzt voraus, dass der CO2-Anstieg in der Atmosphäre zwangsläufig zu einer linearen Erderwärmung führen muss. Dass natürliche und künstliche Einflüsse gleichzeitig für Abkühlung sorgen können (z.B. kühlt Luftverschmutzung ab), und dass manche Einflüsse träge sind und somit erst verspätet erkennbar werden (z.B. abkühlende, ozeanische Umwälzströmungen), wird nicht berücksichtigt.

  7. CO2 ist gut für die Pflanzen und darum gut für uns. Für die menschliche Entwicklung ist wärmer besser als kälter.
    Ein Teilausschnitt ist noch kein Argument. CO2 mag gut für das Pflanzenwachstum sein, aber es hat auch andere Auswirkungen. Die Ozeane übersäuern durch die Bildung von Kohlensäure (H2O + CO2 = H2CO3), was für zahlreiche Meereslebewesen tödlich ist und letztlich auch den Fischfang gefährdet. Der Treibhaus-Effekt heizt das Erdklima an und löst damit einen Anpassungsdruck aus, dem viele zeitgenössische Arten zum Opfer fallen werden. Wenn die Erderwärmung das im sibirischen Permafrostboden gespeicherte Methan freisetzt, schnellt die Erddurchschnittstemperatur noch mal um mehrere Grad Celsius nach oben. Die mit der menschengemachten Klimaerwärmung einhergehenden Naturkatastrophen werden zahllose Menschenleben fordern. Der Meeresspiegelanstieg wird ein Drittel der Menschheit bedrohen. Dient es etwa dem Gemeinwohl, zum Zwecke einer wärmeren Erde über beliebig viele Leichen zu gehen?

  8. Mit steigender Konzentration nimmt der Erwärmungs-Effekt von CO2-Molekülen ab.
    Das verharmlosende Argument suggeriert, dass der industriell verursachte CO2-Ausstoß mit der Zeit immer weniger ins Gewicht falle, weil bei hoher CO2-Konzentration in der Atmosphäre zusätzliches CO2 weniger stark wirke. Man kann sich die scheinheilige Öl-Industrie gut vorstellen, wie sie beim Pressetermin zwar bedauert, CO2 ausgestoßen zu haben, aber nun, da bereits so viel CO2 in der Atmosphäre sei, sei das jetzt hinzukommende CO2 weniger klimawirksam und daher nicht mehr so schlimm. Aber etwas wird dadurch nicht unschädlich, dass es mit steigender Konzentration nicht gleichbleibend noch schädlicher wird. Schädlich ist und bleibt schädlich und darum falsch.

  9. Klimamodelle des Weltklimarates IPCC haben die Erderwärmung etwa dreifach zu hoch angesetzt.
    Das falsche Argument – auch Lüge genannt – stützt sich (gegen Sinn und Intention des Autors der dafür herangezogenen Studie) auf Beobachtungsdaten aus den Tropen, aber mit regionalen Daten kann man keine globalen Modellrechnungen widerlegen. Die globalen Beobachtungsdaten (dort gleich das erste Diagramm) stützen die globalen Klimamodelle (im Diagramm die aktuellen CMIP6-Simulationen mit HadCRUT4-Beobachtungsdaten zum direkten Vergleich). Tatsächlich berechnen alle Klimamodelle immer auch vergangene und gegenwärtige Entwicklungen, denn nur so kann man sehen, ob ihre Zukunftsprojektionen überhaupt taugen könnten. Die Tropen werden wahrscheinlich durch ozeanische Umwälzströmungen abgekühlt (die zeitversetzt aber immer wärmer werden), so dass die globale Erwärmung in den Tropen momentan nur wenig durchschlägt.

  10. Global werden Dürren seltener.
    Ein Teilausschnitt ist noch kein Argument. Die statistisch signifikante Zunahme von Dürren wird langfristig erwartet. Das muss noch nicht historisch und gegenwärtig zu beobachten sein, weil die derzeitige Weltdurchschnittstemperatur das noch gar nicht hergibt. Außerdem sind Dürren nicht das Einzige, was bei einer Klimaerwärmung geschieht: In einer Region mag Dürre herrschen – oder auch nicht -, aber gleichzeitig könnten durch den Klimawandel häufiger zu erwartende Unwetter auftreten. Für die Mittelalterliche Warmzeit sind verheerende Springfluten und kontinentale Dürren belegt. Seit 2014 herrscht in Mitteleuropa die längste Dürre seit mindestens 2.000 Jahren. Gleichzeitig gab es seitdem viele Hochwasserkatastrophen.

Insgesamt handelt es sich um eine Denkhaltung und Vorgehensweise, wie sie auch von anderen „alternativen“ Weltanschauungen bekannt ist, z.B. vom Kreationismus oder der Esoterik: Das im wissenschaftlichen Diskurs zum Konsens gewordene Gesamtbild wird bestritten, und als Argumente sucht man nach Anomalien, abseitigen Idealbildern, Unschärfen in der wissenschaftlichen Erkenntnis, anekdotischen Gegenbeispielen und versteift sich auf längst widerlegte (Falsch-)Behauptungen.

Dabei wird immer auch suggeriert, dass die Wissenschaftler nicht wüssten, wie man ihre Wissenschaft richtig betreibe. Das leistet Wissenschaftsfeindlichkeit Vorschub.

Für Menschen, die eine Abneigung gegen Veränderungen und übermäßige Angst vor potentiellen Bedrohungen haben, liegt es nahe, sie abzulehnen. Schnell setzt die confirmation bias ein, und sucht man gezielt nach widersprechenden, „alternativen Fakten“. Die ursprüngliche, unbewusste Abneigung wird nachträglich mit einer rational erscheinenden Rechtfertigung untermauert. So hat sich am Ende eine Ideologie verfestigt: Voilà, der Klimawandel-Leugner ist da (oder inzwischen natürlich auch der Corona-Leugner)!


Die 31 „Klima-Fakten“ der CO2-Coalition

  1. Es gibt einen 140-Millionen-Jahre-Trend gefährlicher CO2-Abnahme.
  2. Der Erwärmungs-Effekt von CO2-Molekülen nimmt mit steigender Konzentration ab.
  3. CO2 ist Pflanzennahrung.
  4. In den letzten vier Eiszeiten war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre gefährlich niedrig.
  5. CO2 wurde hauptsächlich erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ausgestoßen, aber man sieht keine gleichzeitige Erwärmung.
  6. Unsere gegenwärtige erdgeschichtliche Epoche hat den niedrigsten durchschnittlichen CO2-Gehalt in den letzten 600 Millionen Jahren. + CO2 erhöht die Mais-Produktion.
  7. Die aktuelle CO2-Konzentration ist rekordverdächtig niedrig. Wir haben eine CO2-Armut.
  8. Mehr CO2 bedeutet mehr Pflanzenwachstum.
  9. Mehr CO2 ernährt mehr Menschen.
  10. Die moderne Erwärmung begann vor über 300 Jahren.
  11. Schmelzende Gletscher bestätigen, dass die moderne Erwärmung vor dem CO2-Anstieg begann.
  12. Der steigende Meeresspiegel bestätigt, dass die moderne Erwärmung vor dem CO2-Anstieg begann.
  13. Temperaturen veränderten sich in den letzten 10.000 Jahren dramatisch, aber wir waren das nicht.
  14. Zwischeneiszeiten dauern etwa 10.000-15.000 Jahre an. Unsere ist 11.000 Jahre alt. Die nächste Eiszeit steht also bevor, so dass wir über die Erderwärmung froh sein können.
  15. In der letzten Zwischeneiszeit war es 8° C wärmer als heute. Die Eisbären haben das überlebt. Grönland war nicht eisfrei.
  16. Die aktuelle Erderwärmung ist weder ungewöhnlich noch beispiellos. Teil 1.
  17. Die aktuelle Erderwärmung ist weder ungewöhnlich noch beispiellos. Teil 2.
  18. Änderungen der Erdumlaufbahn und der Neigung der Erdachse treiben den Wechsel von Eiszeiten und Warmzeiten an.
  19. Wir leben in einer der kältesten Epochen der Erdgeschichte.
  20. In der Erdgeschichte war es meistens etwa 10° C wärmer als heute.
  21. Klimamodelle des Weltklimarates IPCC haben die Erderwärmung etwa dreifach zu hoch angesetzt.
  22. Für die menschliche Entwicklung ist wärmer besser als kälter.
  23. (fehlt im Original)
  24. Die „ideale“ Temperatur ist nicht die von vor 150 Jahren.
  25. Mehr CO2 bedeutet feuchtere Böden.
  26. Die aktuelle Erderwärmung ist weder ungewöhnlich noch beispiellos. Teil 3.
  27. CO2 stieg nach dem Zweiten Weltkrieg an, aber die Temperatur fiel.
  28. In den letzten 600 Millionen Jahren war die einzige Konstante in Sachen Temperatur, dass sie sich ständig verändert hat.
  29. In den USA nehmen Dürren nicht zu. Teil 1.
  30. In den USA nehmen Dürren nicht zu. Teil 2.
  31. Global werden Dürren seltener.

Quelle: https://co2coalition.org/facts/